Ilona Kraus schrieb ein neues Kapitel in der Geschichte des Fußballkreises Limburg-Weilburg (Foto: Jenniver Röczey)

Quelle: Nassauische Neue Presse vom 29. Februar 2024

BESELICH/RUNKEL . Als Schiedsrichter Marvin Giebeler die zweite Halbzeit des Testspiels zwischen einer gemischten Mannschaft der SG Niedertiefenbach/Dehrn und dem TuS Dietkirchen III anpfiff, schlug Leona Kraus ein neues Kapitel in der Geschichte des heimischen Fußballs auf. Die 18-jährige Torhüterin ist die erste Frau, die im Kreis Limburg-Weilburg ein Männerspiel bestritten hat.

Der Hessische Fußball-Verband hatte der Abiturientin an der Wetzlarer Gotheschule mit der Umsetzung des vom Deutschen Fußball-Bunds auf den Weg gebrachten Pilotprojekts zum „Gemischen Spielen“ diese Möglichkeit eröffnet. Die dafür notwendige Änderung der Spielordnung trat zu Beginn der Saison 2023/024 in Kraft. Die Dehrnerin, die seit den Bambini in Jungs-Mannschaften kickt, aber auch schon mit den Juniorinnen des FSV Hessen Wetzlar Bundesliga-Luft geschnuppert hat, sorgte mit ihrem 45-minütigen Einsatz beim 4:2-Sieg ihrer Mannschaft auch hessen- und vielleicht sogar bundesweit für ein Novum. Denn Leona Kraus kann noch A-Jugend spielen. Im Interview erzählt die Torfrau über ihre Premiere, ihre Stärken und Schwächen sowie ihre Zukunftspläne, die sie im Sommer nach Florida führen.

Leona, wie haben Sie Ihr erstes Spiel bei den Männern erlebt?

Ich war natürlich sehr nervös, aber das ist ja normal. Ist halt schon nochmal was anderes als bei der A-Jugend. Ich fand’s für das erste Mal ganz gut, muss aber noch eine Schippe drauflegen. Ich wurde auch sehr gut von meiner Mannschaft aufgenommen, die haben mich gut mit ins Spiel einbezogen. Dass ich überhaupt eingesetzt worden bin, war schon ein Riesenerlebnis für mich.

Wie haben die Spieler des TuS Dietkirchen III auf Sie reagiert?

Von den Gegnern kamen überhaupt keine dummen Sprüche, was man bei der Jugend sonst immer mal mitbekommt, weil ich eine Frau bin. Da kam aber gar nichts. Da kann ich mich nicht beschweren. Fand ich echt cool.

Dieser Einsatz soll sicher nicht der letzte bei den Männern gewesen sein, oder?

Nein, auf keinen Fall. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich öfter spielen darf. Immerhin kamen vom Trainerteam positive Rückmeldungen zum Spiel. Die waren mit meiner Leistung zufrieden und meinten auch, dass ich das eine oder andere Spiel noch machen werde.

Wie haben Sie die beiden Gegentore erlebt?

Das erste war ein Kopfball, der nach einem Freistoß halbhoch auf meine rechte Seite gekommen ist. Ich denke, wenn ich mich an das Spieltempo gewöhnt habe, halte ich so einen Ball. Aber es war jetzt auch kein grober Fehler. Das zweite Tor war gut gemacht, fand ich. Der Spieler hat den Ball über mich gehoben. Da konnte ich wenig machen.

Sie hatten auch einige gute Szenen, wie ich gehört habe.

Ja, ich denke schon. Einige Bälle habe ich gehalten. In einer Situation hat der Schütze versucht, den Ball innen an der Mauer auf mein kurzes Eck zu ziehen. Der war gut geschossen. Den konnte ich dann rausfischen und war auch schnell wieder oben, um mich auf den Ball zu schmeißen.

Wo sehen Sie Ihre Stärken und Schwächen?

Meine Stärken sind schon bei halbhohen und hohen Bällen, da ich eine ganz gute Sprungkraft habe. Aber auch bei flachen Bällen bin ich recht schnell unten. Meine Schwächen sehe ich aktuell bei Flanken. Ich bin zwar mit 1,73 Meter nicht die Kleinste, aber es ist schon was anderes, wenn da ein großer Mann dir gegenüber steht. Ich habe das allerdings auch in der Jugend nicht oft genug trainiert. Das haben meine Trainer aber auch erkannt. Und wenn ich da dran bleibe, sollte es nicht meine größte Schwäche bleiben.

Das Umziehen und das Duschen sind für Sie keine Probleme?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin das ja gewohnt. In Niedertiefenbach kann ich die Schiedsrichter-Kabine nutzen, da ist auch eine Dusche. Und wenn es nicht anders geht, komme ich schon umgezogen zum Spiel oder warte, bis die Jungs fertig sind.

Haben Sie nach dem Spiel eine Flasche Bier aus der obligatorischen Kiste genommen?

(Lacht) Ich habe mir keine genommen, weil momentan ist ja Fastenzeit, und da trinke ich keinen Alkohol. Aber ich habe eine Kiste gegeben, wie es sich gehört.

Sind Sie ein Typ, der sich in seinem Heimatdorf wohlfühlt und deshalb dort gerne weiterspielen möchte, wenn es sein muss, dann halt auch mit den Männern, oder haben Sie doch eher Ambitionen, bei den Frauen höher zu kommen?

Grundsätzlich eine Mischung aus beidem. Ich wollte bei den Jungs auf jeden Fall bis zur A-Jugend kommen, weil ich das Gefühl habe, das meiner Mannschaft zu schulden, weil sie sonst keinen Torhüter hätten und sie mich immer unterstützt haben, auch wenn dumme Sprüche von den Gegnern kamen. Da haben sie mich immer beschützt. Ich habe ja schon mal ein Jahr mit dem FSV Hessen Wetzlar in der Junioren-Bundesliga gespielt. Da habe ich gemerkt, dass es mit der Schule zusammen schwierig war, weil wir da ständig unterwegs waren in Bayern, im Saarland und wo auch immer. Und da ich ein gutes Abitur machen will, muss ich dafür auch entsprechend Zeit haben. Da ist es natürlich einfacher für mich, nach Niedertiefenbach auf den Sportplatz zu fahren, als einmal quer durch Deutschland. Wenn sich das aber mit der Schule erledigt hat und ich mal ein Angebot bekomme, höherklassig bei den Frauen zu spielen, kann ich mir das schon vorstellen. Aktuell ist aber mein Ziel, dass ich mich bei den Männern so durchsetze, dass ich regelmäßig spiele.

Wie sind Ihre Pläne nach dem Abitur?

Ich habe ein Fußball-Stipendium in den USA bekommen und gehe für ein Jahr nach Florida an die Polk State Universität. Ich glaube, dass ich da viel mitnehmen kann. Ich habe richtig Bock darauf, mal für ein Jahr in den USA zu spielen. Da kann ich optimal die Uni mit dem Sport verbinden, weil das dort ganz anders gefördert wird als hier.

Wie kam es zu diesem Stipendium?

Ich wurde über Instragram von Vivian Beil, die selbst mal in den USA gespielt hat und für die Agentur Athlets USA die Augen nach Spielerinnen offen hält, angeschrieben. Sie hat mich gefragt, ob ich Lust auf sowas hätte. Da ich Bock drauf hatte, habe ich dann über diese Agentur ein Profil erstellt und wurde daraufhin von ein paar Unis kontaktiert. Bei den Trainern der Polk State hatte ich dann das beste Gefühl.

Dann stehen Sie also der SG Niedertiefenbach/Dehrn in der nächsten Saison nicht zur Verfügung?

Nein, aber ich komme ja irgendwann wieder zurück und hoffe, dass ich mich dann so weiterentwickelt habe, dass ich wieder bei den Männern spielen darf.

Das Interview führte André Bethke

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.