WIESBADEN . Ob beim Kicken im Park, beim Wandern in den Bergen oder beim Tennisspielen – im Sommer haben Sprunggelenksverletzungen Hochsaison. Markus Preis ist Fuß- und Sprunggelenksexperte an der Atos Klinik in Wiesbaden und einer der führenden Ärzte in Deutschland, die Sprunggelenksprothesen einsetzen. Im Interview erklärt er, welche Sportarten am gefährlichsten sind und warum man auch leichte Verletzungen nicht unterschätzen sollte.
Herr Dr. Preis, was sind die häufigsten Ursachen für Sprunggelenkserkrankungen?
Es sind vor allem Sportverletzungen. Das Trauma ist immer die Basis einer Verletzung, die dann zu einem chronischen Schaden führen kann. Dann kommt es zu einer Instabilität, Schmerzen und schließlich kann eine Arthrose folgen. Bei den posttraumatischen Verletzungen können entweder die Bänder betroffen sein oder ein Bruch vorliegen. Bei den Patienten mit Sprunggelenksprothesen haben wir festgestellt, dass 80 Prozent davon eine posttraumatische Verletzung hatten, davon aber nur 50 Prozent mit einer Fraktur, also einem Bruch. Es sind also auch die einfachen Bandverletzungen, die lange Probleme bereiten können. Bis zu 20 Prozent der Patienten haben zudem entzündliche Erkrankungen.
Spielt es bei den Bandverletzungen eine Rolle, ob es sich um einen Bänderriss, einen -anriss oder eine Bänderdehnung handelt?
Die entscheidende Frage ist, wie stabil wird das Gelenk wieder nach einer solchen Verletzung. Ich sage immer: Es gibt keine Bagatellverletzungen. Heute machen wir zunächst eine konsequente, konservative Therapie und entscheiden dann nach sechs Monaten: Ist das Gelenk stabil genug, sodass das Risiko für den Patienten einen Dauerschaden zu bekommen, möglichst gering ist. Und wenn es nicht ausreichend stabil genug ist, müssen wir gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, handelt es sich um eine OP-Indikation oder nicht. Denn: Wenn das Sprunggelenk chronisch instabil ist, ist das Risiko, eine Arthrose zu entwickeln, fünfmal höher als in der Normalbevölkerung.
Bei welchen Sportarten herrscht denn eine besonders große Verletzungsgefahr?
Fußball steht bei Sprunggelenksverletzungen an erster Stelle, weil es auch Millionen betreiben. Aber auch alle anderen Sportarten mit kurzen Stopps wie Squash, Badminton, Tennis, Handball oder Basketball gehören dazu. Außerdem gibt es beispielsweise noch die Jogger, die im Wald über eine Wurzel stolpern – aber das ist nicht die Regel.
Wie kann man denn Sprunggelenksverletzungen vorbeugen?
Wichtig ist eine gute Koordination. Man sollte seinen Sport leistungsgerecht ausüben. Auch richtiges Schuhwerk ist wichtig. Oder die Nutzung von Einlagen, falls die Statik nicht in Ordnung sein sollte. Sich selbst einmal testen kann man zum Beispiel, indem man sich auf ein Bein stellt, die Augen schließt und dann versucht, die Zähne zu putzen. Wichtig ist aber auch, dass man sich nach Verletzungen selbst die Zeit gibt, um die Verletzung auszuheilen. Eine Merkregel ist: Wo es blau ist, ist etwas kaputtgegangen, meist auch die kleinen Nervenfasern – und das braucht Zeit. Nach einem Umknicktrauma und vier Wochen mit Orthese beginnt das koordinative Training – und wir sagen frühestens nach sechs Wochen sollte man wieder mit dem Lauftraining beginnen. Je schwerer das Trauma ist, desto mehr ist kaputtgegangen
Welche Rolle spielen die Innenbänder?
Der Fuß und das Sprunggelenk sind ein biomechanisches Wunderwerk. Das besteht auch nicht nur aus einem Außenband. Darum wird ein isolierter Außenbandabriss auf Dauer selten Schmerzen bereiten. Stattdessen sehen wir immer wieder, dass die Kombinationsverletzungen das Problem sind. Und je schwerer das Trauma ist, desto mehr ist kaputtgegangen. Deshalb rückt in den letzten Jahren auch die Innenseite des Sprunggelenkes immer mehr in den Fokus: Wir haben gelernt, dass es bei Schäden auf der Innenseite nahezu zu 100 Prozent zu Problemen kommt. Danach muss sich dann auch die Therapie richten.
Und welche Auswirkungen können schon leichte Verletzungen haben?
Auch leichte Verletzungen können zu Problemen führen, denn der Fuß ist das Fundament des Körpers. Wenn das Sprunggelenk in seiner Funktion gestört ist, kann es zu Problemen in Knie und Hüfte kommen. Auch chronische Rückenschmerzen können vom Fuß herkommen, sodass wir da eine verletzte Bewegungskette haben, die an anderen Stellen Probleme macht.
Das Interview führte Sonja Werner.
ERSTE HILFE
Direkt nach einer Verletzung gilt das PECH-Schema: Pause, Eis, Compression und Hochlagern. Das sei das Wichtigste am Anfang, so Fuß- und Sprunggelenksexperte Markus Preis. „Und dann muss man eben die entsprechende Diagnostik machen, denn vor jeder Therapie steht eine korrekte Diagnose“, sagt er.